Fairer als erwartet: Arztbewertungen auf Google

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Originalmanuskript eines Beitrags, der – gekürzt – erschienen ist in Ärztezeitung vom 15. Dezember 2022, S. 10.
Autor: Gundolf Meyer-Hentschel

Analyse von 1.093 Praxisbewertungen auf Google. Lob und Kritik, und was Praxen daraus lernen können.

Viele Niedergelassene geraten in Rage, wenn sie an Bewertungen durch Patienten auf Google denken: „überwiegend unzufriedene Patienten, unsachliche Bewertungen, kaum Möglichkeiten der Löschung“. Stimmt, aber nur zum Teil: 64 % der Bewertungen auf Google sind Vier- und Fünf-Sterne-Bewertungen, stammen demnach von zufriedenen und sehr zufriedenen Patienten. Unzufriedene Patienten, die meistens nur 1 Stern geben, machen nur 36 % aus.

Erkenntnisse aus 1.093 Patientenbewertungen

Diese Ergebnisse stammen aus einer Untersuchung, bei der mein Team und ich 1.093 Patientenbewertungen von 100 repräsentativ ausgewählten Hausarzt- und Facharztpraxen erhoben und analysiert haben.

Erstes Fazit: Die Patientenbewertungen auf Google sind überwiegend sachlich und fair. Um unsere Einschätzung abzusichern, haben wir die Google-Mittelwerte der Praxen mit den entsprechenden Werten des Bewertungsportals Jameda verglichen. Der Durchschnittswert der Praxen ist bei Jameda nur eine halbe Schulnote (Skala von 1 – 6) besser als bei Google.

Google ist also nicht der „Pranger“ für Arztpraxen, wie gelegentlich zu hören ist. Ob man das Unternehmen Google grundsätzlich mag und seine Geschäftspolitik gutheißt, steht auf einem anderen Blatt. In dieser Hinsicht habe ich – wie viele Niedergelassene – eine ziemlich kritische Haltung.

Die Bedeutung des Praxisteams kann man gar nicht hoch genug einschätzen

Bei der Analyse der verbalen Patientenbewertungen auf Google wurde sehr deutlich, wofür Patienten viele Sterne vergeben: 50,6 % der Patienten, die eine Hausarztpraxis oder eine Facharztpraxis mit 4 oder 5 Google-Sternen bewertet haben, heben die Freundlichkeit und Einfühlsamkeit des Arztes/ der Ärztin hervor.
Praktisch gleichauf rangieren die Praxisteams der MFA. 49,9 % der zufriedenen Patienten nennen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der MFA als Grund für ihre hohe Zufriedenheit mit der Praxis.

Die Schlüsselrolle des Praxisteams spiegelt sich auch in den negativen Bewertungen von unzufriedenen Patienten wider: 17,6 % kritisieren Mitglieder des Praxisteams als unfreundlich, respektlos und manchmal wenig diskret, z.B. „…sprechen an der Rezeption im Beisein anderer respektlos über Patienten, die gerade die Praxis verlassen haben …“
Mit hoher Wahrscheinlichkeit kennen die meisten Praxisinhaber diesen Erfolgs- bzw. Misserfolgs-Faktor ihrer Praxis, zumindest äußern sie, z.B. in Umfragen der Stiftung Gesundheit, dass sie das Praxispersonal als sehr wichtiges Marketinginstrument sehen. Offen bleibt, wie viele Praxisinhaber diese Erkenntnis auch in konkrete Maßnahmen umsetzen. Unsere Auswertung der Patientensicht könnte man als Impuls nehmen, stärker in das Team zu investieren bzw. häufiger korrigierend einzugreifen.

Ich weiß, dass beide Ansätze aktuell nicht ganz einfach sind. Investitionen brauchen ein stabiles gesundheitspolitisches Umfeld. Korrekturen von Verhaltensweisen des Praxispersonals erfordern in einer Zeit knapper Personaldecken Mut und Geschick.

In einem Panel von 20 Erstkräften, mit denen wir uns vier Mal im Jahr austauschen, wurde kürzlich bemängelt, dass Praxischefs aus Angst vor Kündigungen oder schlechter Stimmung Kritik vermeiden oder diese an die Erstkräfte delegieren. Eine solche Personalstrategie ist nicht ungefährlich: Indem man unterdurchschnittliche Arbeitskräfte kritiklos duldet, erhöht man die Wahrscheinlichkeit, daß „Hochleister“, die sich in einer solchen Atmosphäre nicht geschätzt fühlen, die Praxis verlassen.

Kritikpunkt Nr. 1: Die telefonische Erreichbarkeit

Der bedeutsamste Grund für 1-Punkt-Bewertungen bei Google ist die schlechte telefonische Erreichbarkeit vieler Praxen. 20,7 % der unzufriedenen Patienten erwähnen, dass die bewertete Praxis telefonisch schwer erreichbar sei: „stundenlang besetzt“, „ständig Warteschleife“, „nur Anrufbeantworter“, „und wenn man endlich durchkommt, wird man weggedrückt“. Vermutlich gibt es kaum einen Praxisinhaber, der diese Schwachstelle nicht kennt, sofern sie die eigene Praxis betrifft.

Natürlich gibt es in jeder Praxis Stoßzeiten, zu denen besonders viele Patienten anrufen. Andererseits haben wir in unserem „Erstkräfte-Panel“ kürzlich gelernt, dass es Praxisteams gibt, die dem Telefon nicht die nötige Bedeutung beimessen und minutenlanges Läuten eines Telefons entspannt ertragen. Wenn eine Praxis das „Telefonproblem“ anpacken möchte, sehe ich drei Wege:

So erleichtern Sie Patienten die Kommunikation die Kommunikation mit Ihrer Praxis

Ein erster Schritt könnte darin bestehen, dem Team unmissverständlich die Bedeutung eines läutenden Telefons zu verdeutlichen. In vielen Service-Unternehmen gibt es die Anweisung, dass ein Anruf spätestens nach dem dritten Läuten entgegengenommen werden muss. Falls dies aus personellen Gründen nicht möglich ist, kann man über technische Lösungen nachdenken, um die Belastung der Telefonzentrale zu verringern.

Eine Möglichkeit besteht darin, ein Online-Termin-Management-System einzurichten. Dies erfordert einen gewissen Startaufwand, wird aber von Patienten zunehmend als selbstverständlich wahrgenommen und positiv bewertet.

Eine weitere Lösung wäre die Entscheidung für einen „digitalen Telefonassistenten“. Dabei handelt sich um die digitale Weiterentwicklung des klassischen Anrufbeantworters. Der digitale Assistent meldet sich immer dann, wenn nach dem dritten oder vierten Läuten niemand den Anruf entgegen nimmt. Das kann sein, wenn die Praxis geschlossen ist oder wenn alle Mitarbeiter mit etwas anderem beschäftigt sind. Er stellt dem Anrufer Fragen und zeichnet seine Antworten auf. Das Beste aber: Die Wünsche der Anrufer stehen anschließend in Schriftform auf den Praxis-PCs zur Verfügung. Zeitaufwendiges Abhören und Notieren von Anrufen ist nicht mehr nötig.

Lassen Sie sich von Google über jede neue Bewertung informieren

Als Sofortmaßnahme ist zu empfehlen, das Praxisprofil auf Google sorgfältig zu beobachten und zu pflegen. Nach von uns erhobenen Daten haben aktuell erst 42 % der Arztpraxen ihren Google-Eintrag beansprucht und pflegen ihn mehr oder weniger regelmäßig. Selbst wenn man keine Zeit dafür investieren möchte, kann man auf diese Weise sicherstellen, dass man über jede Patientenbewertung informiert wird und entsprechend reagieren kann.

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Gundolf Meyer-Hentschel

3 Gedanken zu „Fairer als erwartet: Arztbewertungen auf Google“

  1. Es ist noch ein sehr großer Unterschied zwischen Stadt und Landarztpraxen
    Auch ich als Landarzt kann kaum noch Termine für meine Patienten organisieren da die Erreichbarkeit sehr sehr schlecht geworden ist
    Wir nehmen jederzeit Akutpatienten an haben Online Terminvergaben und eine nahezu 100% Patientenzufriedenheit

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  2. Den folgenden Kommentar habe ich per eMail erhalten:

    „Als Sofortmaßnahmen ist aus psychohygienischen Gründen dringend zu empfehlen, das eigene Praxis Profil auf Google strikt zu ignorieren solange der Terminkalender noch gefüllt ist.
    Es wird Zeit dem Bundesbürger zu erklären, dass im Gesundheitswesen, wie im richtigen Leben, eben nicht für jeden zu jeder Zeit everything possible ist. So long „

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